Das majestätische Spiel
Schach ist uralt, aber gerade bei jungen Leuten so beliebt wie selten zuvor. Denn Hobbyspieler wie Großmeister schulen mit seinen komplexen Zügen ihr logisches Denkvermögen. Dabei müssen selbst Schachweltmeister inzwischen vor Computerprogrammen kapitulieren.
Die Wiege des Schachspiels liegt irgendwo im fernen Osten.
Die meisten Forscher gehen von Indien als Ursprungsland aus. Manchmal wird auch China genannt. Das Spiel der Könige, wie wir es heute kennen, hat sich irgendwann in den ersten Jahrhunderten nach Christus entwickelt.
Der König war verwundert. Nur ein paar Reiskörner wollte der Mann als Belohnung für seinen Zeitvertreib, den der dem Herrscher gezeigt hatte. Dabei gefiel dem König das Spiel mit den 32 Figuren auf 64 schwarz-weißen Feldern so gut, dass er bereit war, großzügig zu sein. Und jetzt das: „Ein Reiskorn auf das erste Feld, zwei Körner auf das zweite und auf jedes weitere Feld stets die doppelte Anzahl an Körnern als im vorherigen Feld“, lautete der Wunsch seines Untertanen. Soweit die Legende zu den Ursprüngen des Schachspiels.
Am Ende wäre der König niemals in der Lage gewesen, die Belohnung aufzubringen. Über 18 Trillionen Reiskörner hätte er dafür sammeln müssen, das sind ungefähr 540 Milliarden Tonnen Reis – tausendmal so viel wie die Reisernte, die unser Planet im letzten Jahr hervorgebracht hat.
Wie der Gebieter mit der klugen Forderung umging, ist nicht überliefert. In manchen Versionen werden Weizenkörner statt Reis gewünscht. In einigen soll der König durch das Spiel von seiner Melancholie befreit, in anderen von seinem Starrsinn geheilt werden. Die Legende bringt allerdings auf den Punkt, was den Kern des uralten Spiels ausmacht. Es ist nahezu unendlich komplex. Während es nach dem ersten Zug beider Seiten noch überschaubare 400 mögliche Stellungen gibt, wächst deren Anzahl nach zwei Zügen bereits auf über 72000. Und nach dem dritten Zug übersteigt die Zahl der Möglichkeiten auf dem Brett endgültig die menschliche Vorstellungskraft. In einer durchschnittlichen Schachpartie gibt es mehr Möglichkeiten als Atome im Weltall.
Trotz oder gerade wegen dieser unheimlichen Komplexität fasziniert das Schachspiel uns Menschen seit zwei Jahrtausenden. Gerade erlebt es einen kleinen Boom bei jungen Leuten, und zwar ganz analog und ohne Bildschirm. Die amtierende Deutsche Meisterin Jana Schneider ist gerade mal 14 Jahre alt und kommt aus dem fränkischen Eußenheim bei Würzburg. Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang das zwölfjährige Super-Talent Vinzent Keymer, der in Kürze die Großmeisternorm erfüllen wird. Er ist das Versprechen auf die Zukunft.
Schachgruppen an Schulen sind gut besucht, es gibt zertifizierte Schachschulen wie das Dürer-Gymnasium in Nürnberg und Lehrerfortbildungen zum Thema. In manchen Schulen ist Schach sogar Unterrichtsfach, in Bayern bisher allerdings nur in Modellversuchen.
Moment mal – dieses verkopfte, eher als unsexy geltende Spiel, bei dem man stundenlang vor karierten Brettern sitzt und sich den Kopf über das Stellungsspiel seines Gegners zerbricht; dieses Spiel , das man mit Bibliotheken, muffigen Trainingsräumen oder bestenfalls verrauchten Kaminzimmern verbindet – dieses zähe und irgendwie auch als elitär geltende Spiel soll auf einmal die Jugend begeistern?
Ja. Und das liegt wohl an seinem prominenten Zugpferd. Denn Schach hat momentan einen Star, der nicht ganz unschuldig am plötzlichen Interesse der jüngeren Generation sein dürfte. Magnus Carlsen, 26, Schachweltmeister aus Norwegen, beherrscht nicht nur die Finten und Finessen des Spiels auf Weltklasseniveau. Der junge Mann mit den markanten Gesichtszügen und dem Waschbrettbauch präsentiert sich auch als Model und hat damit das Image des verstaubten Nerd-Sports ordentlich aufpoliert. Es gehört nicht viel Vorstellungskraft dazu, was passiert, wenn ein deutsches Supertalent wie beispielsweise der zwölfjährige Vinzent Keymer die Rolle des Magnus Carlsen einnehmen sollte.
Vor allem in den jüngeren Jahrgängen ist Schach momentan im Kommen, berichtet Jörg Schulz, Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend. “ Wir haben vor allem Zuwachs bei den unter Zehn- bis Zwölfjährigen.“ Das schlägt sich zwar nicht direkt in der Statistik nieder – die Mitgliedszahlen der Landesverbände bewegen sich seit Jahren auf dem Niveau von etwa 27000 registrierten Kindern und Jugendlichen. Doch in Zeiten, wo andere Verbände und Vereine über Nachwuchssorgen klagen, ist das schon ein Erfolg.
Mensch gegen Maschine
Zum ersten Mal besiegte ein Computerprogramm einen Schachweltmeister im Jahr 1996. Damals spielte Garri Kasparow in den USA gegen Deep Blue, einen Rechner von IBM. Kasparows digitaler Gegner schaffte es damals nur einmal zum Sieg, die restlichen Partien des Mensch-Maschine-Duells gingen an den Weltmeister. Trotzdem war die Sensation groß: Der dumme Rechner, der nur stupide Zahlenkombinationen abspult, kann gegen ein Genie wie Kasparow siegen.
Ein Jahr später verlor Kasparow dann in einer Revanche gegen den inzwischen mit noch mehr Rechenkraft ausgestatteten Computer schon niederschmetternd. Auch Wladimir Kramnik, mehrmaliger Schachweltmeister, zog bei Duellen Anfang und Mitte der 2000er gegen das Programm Deep Fritz den Kürzeren. Zwar schaffte er einige Remis, aber dass mehrere Remis bereits als Erfolg galten, sagt einiges über die Umkehr der Verhältnisse aus. Seitdem treten Schachgrößen nur ungern gegen Computer an. Weltmeister Magnus Carlsen etwa lehnt dies kategorisch ab. Der allererste „Schachautomat“ ist übrigens schon deutlich älter. Der „Türke“, eine Puppe, die ihre Züge mit der eigenen Hand ausführend den Kopf schüttelte, wenn der Gegenüber einen unzulässigen Zug ausführte, sorgte im 18, Jahrhundert für Begeisterung und Verwunderung beim Publikum.
Ein Fake, wie sich später herausstellte: In der Puppe war ein Schachmeister versteckt.
Lohnt sich das Trainieren überhaupt, wenn die schiere Rechenpower die Schachprogramme quasi unbesiegbar macht? Ja, man lernt, sich zu konzentrieren und seine Grenzen kennen. Wenn dann noch jemand seine eigenen Schlüsse zieht, befindet er/sie sich auf dem richtigen Weg!
Ja, prima Nico.
Es ist schön, dass in unserem Verein nicht alles als gegeben hingenommen wird!!
Wir gehören auch zu denen, die noch nie gegen Deep Blue oder Deep Fritz verloren haben. Grund: Wir sind erst gar nicht dagegen angetreten. Bei uns herrscht noch der Grundsatz: Schau mir beim Spielen in die Augen, Kleiner! 🙂
lieber Joachim, vielen Dank für die interessante Mitteilung. Die Zahl der Reiskörner klingt astronomisch hoch, nämlich nach der Geometrischen Reihe sind die Gesamtzahl an RK auf 64 Schachfeldern nach deiner Vorgabe 1 + 2 + 4 + ….+ 2hoch63 = 2hoch64-1 =ungefähr 2hoch64 RK, das eine abgezogene lassen wir unter den Tisch fallen. Dennoch: 1024 = 2hoch10 durchschnittliche RK (ich habe extra ausgezählt!) wiegen etwa 40 Gramm. 2hoch64 RK = (2hoch10)hoch6 x 2hoch4 RK wiegen also 40hoch6 x 2hoch4 =4096 x 1 Million x 16 Gramm = 65536 x 1000 Kilogramm = 655360 Sack Reis a 100 kg. Oder bei einem pro-Kopf-Verbrauch von ca. 4 kg/Person/365Tage x 80 Millionen Deutsche reicht der Vorrat hierzulande gerade einmal etwa 75 Tage. Wenn das nicht überschaubar ist!