Wie ähnlich sind sich Fußball und Schach? – Ein Beitrag von JULIA KIRST*
Das Bundesministerium des Innen (BMI) hat dem Deutschen Schachbund die Förderung gestrichen, weil es der Meinung ist, dass Schach kein Sport ist.
In ca. zwei Wochen beginnt die Fußball-WM. Ich interessiere mich für Schach und Fußball und möchte beide Sportarten miteinander vergleichen. Wenn sie sich ähneln, liegt doch der Verdacht nahe, dass Schach auch Sport ist, oder!?
Der Fußballtrainer Felix Magath (Foto) war Botschafter der Schacholympiade in Dresden 2008. In einem Interview in der FAZ(http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/felix-magath-alle-fussballer-sollten-schach-spielen-1696603.html) empfahl er jedem Fußballer auch Schach zu spielen. Vielleicht lässt sich daraus eine mögliche Ähnlichkeit der beiden Sportarten ableiten?!
Die dominierenden Elemente des Schachspiels sind Strategie und Taktik. Diese Begriffe sind auch jedem Fußballer vertraut. Jede Fußballmannschaft legt sich vor dem Spiel ein System zurecht, mit dem sie dem Gegner schlagen möchte. Gegnerische Ballverluste sollen gnadenlos ausgenutzt werden und im besten Falle zum Torerfolg führen.
Magnus Carlsen ist Weltmeister des königlichen Spiels. Ob sie es glauben oder nicht: Sein Stil ist identisch mit dem des amtierenden Fußballweltmeisters Spanien. Carlsen vereinfacht das Spiel, vermeidet scharfe Theorievarianten und spielt Endspiele solange, bis die Gegner einen Fehler machen, der dann auch gnadenlos ausgenutzt wird. Das Spiel Spaniens ist geprägt durch endlos lange Ballbesitzpassagen. Beide Weltmeister verfolgen damit dasselbe Ziel: Den Gegner solange zermürben, bis er den entscheidenden, zum Verlust führenden Fehler macht.
Natürlich gibt es auch andere Spielsysteme. Man lässt den Gegner kommen, um im entscheidenden Moment in die offenen Lücken zu stoßen und diese auszunutzen. Das nennt man Kontern. Der frisch gekürte Champions-League-Sieger Real Madrid ist hier zu nennen (auch wenn das im Finale so nicht aussah). Schachliche Pendants dazu wären z. B. die Igelvariante und die Hippopotamus-Eröffnung aus schwarzer Sicht.
Nicht umsonst betonte Felix Magath in oben genanntem Interview in der FAZ: Ich glaube sowieso, dass es sinnvoll ist, wenn ein Fußballer auch Schach spielt. Von dieser Beschäftigung habe ich viel für die Theorie im Fußball gelernt. Deswegen kann ich nur jedem empfehlen, sich vom Schachspiel inspirieren zu lassen und das auf den Fußball zu übertragen.
Fußball und Schach sind sich also in der Strategie ähnlich.
Hinsichtlich der Taktik sind sich beide auch ähnlich, denn es geht in beiden Sportarten darum, gegnerische Fehler auszunutzen oder Ideen zu entwickeln, um den Gegner zu Fehlern zu zwingen.
In beiden Sportarten geht es darum, die beste Lösung zu finden. Felix Magath erwähnte das auch schon in der FAZ: „In jeder Situation muss man versuchen, nicht irgendeinen Zug zu machen, sondern den besten. Genauso sollte ein Fußballer, wenn er spielt, nach der besten Lösung suchen. Wenn er das beherzigt, wird er schon besser sein als vorher.“
Fußball und Schach bestehen jedoch nicht nur aus Strategie und Taktik. Im Fußball gibt es Spieler und im Schach Figuren, die Strategie und Taktik auf dem Feld bzw. Brett ausführen.
Defensive und offensive Akteure nennen sie sich im Fußball. Und im Schach? Da gibt es König, Dame, Turm, Läufer, Springer und Bauern. Der eigene König ist zu verteidigen, der gegnerische mattzusetzen. Es gibt Figuren, die den eigenen König verteidigen. Andere Figuren greifen den König hingegen an. Merken Sie etwas?
Richtig, auch im Schach gibt es defensive und offensive Akteure.
Natürlich sind Unterschiede zwischen beiden Sportarten vorhanden. Fußball ist eine körperliche und Schach eine geistige Sportart. Jedoch braucht der Fußballer auch eine geistige Fitness. Ohne konzentriertes Spiel verliert er zu viele Bälle und kann Fehler des Gegners gar nicht ausnutzen. Der Schachspieler wiederum muss auch körperlich fit sein, damit er das nötige „Sitzfleisch“ besitzt, um mehrstündige Partien spielen zu können. Fassen wir also zusammen: Schach- und Fußballspieler benötigen sowohl geistige als auch körperliche Fitness, um auf höchstem Level zu agieren.
Fußball ist eine Mannschaftssportart und Schach eine Individualsportart. Aber auch der Fußball lebt von Individualisten, die ein Spiel alleine entscheiden können. Im Schach hingegen müssen die Figuren auf dem Brett zusammen agieren. Was im Fußball der Trainer, ist im Schach der Spieler. Beide müssen versuchen, das Optimum aus ihrer Mannschaft herauszuholen, um am Ende den Sieg davonzutragen. Also fassen wir zusammen: Im Schach und im Fußball reagiert der Mannschaftsgedanke, aber auch gute Individualisten sind unerlässlich.
Für Felix Magath ist Schach ein Sport. So antwortet er auf die Frage „Warum ist Schach für Sie neben Fußball der schönste Sport?“Folgendes: „Weil es aufgrund der vielen Steine eigentlich auch ein Mannschaftssport ist. Das Schachspiel wird ja erst dann richtig schön, wenn die Figuren gut zusammenarbeiten und nicht, wenn eine von ihnen ganz allein über das Brett spaziert.“
Meiner Meinung nach sind sich Fußball und Schach sehr ähnlich und Schach ist damit auch ein Sport. Ob das BMI seine Meinung ändert, weiß ich nicht, wünsche es mir aber.
Ihnen wünsche ich viel Spaß bei der Fußball-WM, einen schönen Sommer und weiterhin viel Freude mit unserem königlichen Spiel.
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* JULIA KIRST [Jahrgang 1993], spielt Schach seit ihrem neunten Lebensjahr. Im Jugendbereich mehrfache Landesmeisterin von Brandenburg, nahm zweimal an Deutschen Meisterschaften teil, bei den Frauen holte sie den Titel im Normalschach 2012 und im Schnellschach 2013. Ihr Heimatverein ist ESV Lok RAW Cottbus. In der zurückliegenden Saison hat Julia, die eine Ausbildung zur Bürokauffrau macht, in der Frauen-Bundesliga für Allianz Leipzig gespielt. In ihrer Freizeit interessiert sie sich außerdem für Fußball und Formel 1.
Julia betreut im Schach-Ticker-Team die Rubrik „Online-Kombiecke mit Uwe Kersten“ redaktionell, regelmäßig seit 3. Mai 2014 am Freitag veröffentlicht wird
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